Trails of Cold Steel 1 endete mit einigen Enthüllungen und einem bitteren vorläufigen Abschied, damit Cold Steel 2 so beginnen kann wie Harry Potter und die Heiligtümer des Todes...

Nach Cold Steel 1 ziehe ich auch bei Cold Steel 2 gleich eine Paralelle zur Harry Potter-Reihe, denn was an der Thors-Militärakademie passiert ist lässt sich in meinen Augen gut und gerne mit Hogwarts vergleichen, nachdem Lord Voledmort und seine Schergen die Macht an sich gerissen haben. Der Adel hat sich zurück an die Macht geputscht, wobei ihm die Anti-Osborne-Terroristen sehr gerne zur Hand gegangen sind und am Ende sogar bei der Besatzung der Akademie halfen. Doch Protagonist Rean Schwarzer ist entkommen und wie sich bald herausstellen wird, so sind auch seine Freunde und einige seiner Lehrer nach dem Finale von Cold Steel 1 noch aus der Besatzungszone entwischt.
Die Parallelen zu Harry Potter gehen jedoch nicht soweit, denn Rean wurde durch keinen Lehrer verraten und enttäuscht, sondern einen seiner Freunde und noch dazu einen der sogar zur Crew gehörte und ein wenig die Rolle eines älteren Bruders für Rean erfüllt hätte. Doch wie sich herausstellte steht das C im Namen Crow für das C des Antagonisten und Anführers der Imperialen Befreiungsfront, die erfolgreich einen Mordanschlag auf Kanzler Osborne ausführen konnte. Ohne Osborne konnte die Adels-Fraktion sich nun der Hauptstadt und eines Großteils der kaiserlichen Familie bemächtigen, sowie die imperiale Armee in ihre Forts am Rande des Kaiserreichs zurückdrängen. Die Provinz-Armeen der vier großen Häuser haben sich nun zu einer Allianz zusammengeschlossen und dank Crow und etwas Hilfe von der Geheimgesellschafts Ouroboros ihre eigene Armee an Kampf-Mechs aufgestellt, welche die ereobnischen Panzer zumindest an Wendigkeit übertreffen. Der schnelle große Erfolg der Adels-Allianz lässt sich in Cold Steel 2 sogar gut erklären, was wieder einmal am durchaus überlegten World Building dieser Spiele-Reihe liegt. Zunächst einmal hat sich die damalige Adels-Fraktion ja schon vorher stark aufgerüstet, sie konnte sich aber auch auf Unterstützung im Direktorat der Reinford Company stützen, welche von der überarbeiteten Vorsitzenden geheime Material - und Waffenverkäufe zuließ. Die Entwicklung der Soldat-Mechs ging mehr oder weniger an der Vorstandsvorsitzenden Irina Reinford vorbei und diese neue Wunderwaffe ist es auch, die der Adels-Allianz zu raschen Vorstößen verhalf. Major Neidhart beschreibt an einer Stelle den psychologischen Effekt, den eine vage an menschliche Formen erinnernde mechanische Titanen haben und wie diese gerade im Zuge des Überraschungsangriffs die ersten Wochen des Bürgerkriegs dominierten. Von der Feuerkraft und Panzerung sind die üblichen Panzer jedoch besser aufgestellt und Erebonias Armee setzte auch auf solche Panzerbrigaden. Die Adels-Allianz sieht sich daher gezwungen ihre Gegner auszumanövriern und praktisch nieder zu zergen, was sich als möglich erweist, da die meisten der verbliebenen Stützpunkte der Armee in eher abgelegenen Festungen befinden und daher ein Nachschubproblem haben.
Am Beginn von Cold Steel 2 ist gerade einmal ein Monat vergangen, sodass sich einige der Nachschubprobleme der Loyalisten noch nicht so drastisch ausgewirkt haben. Erebonia ist zudem ein Land, dass noch stark von seinen Eisenbahnen abhängt und Luftschiffe nur in begrenztem Umfang verwendet. Aber man fragt sich wohl durchaus warum es keine Verräter auf Seiten der Armee gab und wie sich die propagandistische Lage darstellt. So wie es aussieht ist der Adel nämlich auch nicht ganz in einer modernen Gegenwart angekommen und gibt sich wenig Mühe einen neuen Kanzler ernennen und die Armee auf diesen einschwören zu lassen, um die Streitkräfte nachträglich zu säubern und so wertvolles Kriegsmaterial zu verschonenen. Aber nein, der ereobnische Adel scheint lieber die kaiserliche Familie als Geiseln nehmen zu wollen und setzt seine Truppen gegen alles ein, was ursprünglich der Zentralregierung unterstellt war. Mehr Bürgerkrieg und weniger Machtübernahme. Dieses Chaos macht natürlich kein gutes Bild, ist aber wohl auch der Persönlichkeit von Herzog Cayenne und seinen potentiell anarchistischen Förderern von Seiten Ouroboros und der Imperialen Befreiungsfront geschuldet. Cayenne wirkt nicht wie ein Mann der an der Spitze einer Revolution stehen sollte, aber er trägt gerne den Titel eines Oberkommandierenden und lässt die eigentliche Arbeit von seinem Stabschef erledigen - keinem geringeren als Rufus Albarea.
Hinsichtlich der Antagonisten fehlt Cold Steel 2 meiner Meinung nach etwas die Überzeugung und ideologische Zugkraft. Die ehemaligen Terroristen aus Cold Steel 1 sind nun praktisch wilige Mitläufer und stellen diese Rolle nur am Rande in Zweifel, so als wäre ihre Entscheidung noch nicht durchdacht. C und seine Schergen wirken mittlerweile etwas ziellos, außer dass sie immer noch an ihrer Gegnerschaft zu Rean und Class VII festhalten. Ouroboros wiederum führt zwar schlagkräftiges Personal ins Feld, lässt sich aber so wenig in die Karten sehen, dass man mit einem "die haben ihre eigenen Ziele" abgespeist wird und doch kämpft die Truppe Seite an Seite mit Cayennes Streitkräften, wenn auch nicht so aktiv. Es gibt aber auch noch die Söldner von Zephyr, welche mit Fie verbunden sind und bei diesen scheint hingegen sogar mehr als Motiv durch, als sich nur ihren Sold zu verdienen. Die Adels-Allianz hat sich eine relativ fraglie Allianz gebaut und selbst unter den vier großen Häusern gibt es nicht nur Eintracht. Herzog Albarea würde wohl gerne eine größere Rolle spielen. Marquis Rogner, der über seinen Bruder den Reinford-Deal orchestriert zu haben scheint, sieht sich wiederum mit der Rivalität seiner eigenen Tochter konfrontiert. Eine derart ideologisch fragmentierte und zur Spaltung neigende Bewegung wird wohl keine dauerhafte Revolution tragen können, es sei denn jemand wie Rufus Albarea risse die Zügel an sich und gebe dem ganzen ein konkretes Ziel, mit dem man alle Gruppen dauerhaft auf einen gemeinsamen Nenner bringen könnte.
Ich kann Cold Steel 2 durchaus einiges an "fehlender Konsequenz" oder nicht probierten Handlungsbögen verzeihen, denn die Handlung erstreckt sich über keinen allzu langen Zeitraum und die innere Zerrissenheit der Antagonisten ist nicht einmal unrealistisch. Würde man reale Beispiele heranziehen, dann würde sich innerhalb erfolgreicher revolutionärer Bewegungen irgendwann wohl eine Gruppe gegen die anderen durchsetzen und das Ruder übernehmen. Tendentiell wäre das wohl eine der radikaleren mit einem ebenso besessenen Anführer. Oder ein skrupelloser Strippenzieher spielte alle seine möglichen Gegner solange gegeneinander aus, bis er als einziger Kandidat übrig bleibt. Erebonias Adel scheint aber auf einen Lenin, Stalin und Trotzki zu verzichten. Mit einem klischeehaften Anime-Schurken wie Cayenne als Anführer darf man sich nicht zuviel erwarten, Cold Steel 2 bietet aber durchaus interessante Anklänge.
Kanzler Osborne hat Eisenbahnlinien gebaut und dabei so wenig Rücksicht auf bestehende Siedlungen genommen wie kommunistische Funktionäre in der Sowjetunion oder China, bei ihren Mega-Bauprojekten. Damit hat er sich Feinde gemacht, aber so starke, dass diese sogar Mordanschläge auf ihn planen würden? Genossin S aka Scarlet scheint das Beispiel für diese Opfer Osbornes zu sein, während Genosse V alias Vulcan für Osbornes Skrupellosigkeit im Umgang mit feindlichen Söldnern steht. Genosse G aka Michael Gideon ist zwar schon tot, hätte aber das Zeug zum interessantesten und ideologisch brauchbarsten Osborne-Gegner gehabt, denn der gute Herr war ursprünglich Assistenzprofessor für politische Philosophie und wurde gekündigt, nachdem er begann öffentlich Osbornes Politik zu kritisieren. Das intellektuelle Hirn der Osborne-Gegner ist also schon seit Cold Steel 1 tot und hatte damals schon nicht viel zu sagen. Bleibt aber noch Crow zu erwähnen, dessen Hintergrundgeschichte nun in Cold Steel 2 deutlich ausgebaut wird. Das Schicksal von Crow ist eng mit der Jurai Sonderverwaltungszone verbunden, praktisch einem Stand-in für Hong Kong, aber auch ein Spiegelbild für das ebenso bedrohte Crossbell. Crow fand sich seinerzeit in einer Lage wie Elie MacDowell wieder, war aber noch zu jung, um irgendetwas zu tun. Wie man aus Trails to Azure weiß wird sich auch Crossbell nach dem Ende der dortigen Krise einer ereobnischen Besatzung unterwerfen müssen, womit Crow vielleicht schon eine Art Teaser für kommende Entwicklungen im Osten Erebonias sein könnte.
Die Handlung von Cold Steel 2 verläuft wieder parallel zu Trails to Azure und wird sogar das Ende der Crossbell-Duologie überschreiten, man darf also auch gespannt sein, wie es überhaupt zu einer Besatzung des Nachbarlandes kommen kann, wenn Erebonia gerade von einem Bürgerkrieg gespalten wird und sich als vorläufig unregierbar erweist. Ich frage mich ja auch, wo die Inspiration für diesen Handlungsbogen gekommen sein könnte - Hideyoshi Toyotomis Regentschaft während des Sengoku Jidai? Immerhin setzte sich Hideyoshi auch nach einem Bürgerkrieg als Nachfolger des zeitweiligen Reichseinigers Oda Nobunaga durch und ging zu einer Invasion Koreas über.
Auf Seiten der Protagonisten muss sich die ehemalige Class VII erst einmal wieder finden und es ist dann auch Prinz Olivert, der den ehemaligen Thors-Schülern die entscheidende Unterstützung zukommen lässt, als er ihnen sein Luftschiff übergibt. Die Courageous wird zur Basis und dem zentralen Questhub für einen Großteil des Spiels, während man sich darum bemüht Oliverts Anspruch auf die Gründung einer "dritten Fraktion" gerecht zu werden. So ganz tritt die zweite Fraktion aber nie in Erscheinung. Neben der Adels-Allianz würde man nun eine ebenso radikale Fraktion von Osborne-Verehrern vermuten, die in diesem einen "Bauernbefreier" oder sozialrevolutionären Märtyrer sehen könnten. Dem ist aber nicht so, denn von Osbornes Anhängern ist außer in der Railway Military Police und dem Geheimdienst wenig zu sehen, wobei sich letzterer auch überraschend ruhig verhält, wohl weil Captain Lechter Arundel fürs erste noch in Crossbell festsitzt. Was bleibt ist die unter Belagerung stehende Armee, die sich eigentlich nicht mit Osborne verschworen hatte und grundsätzlich ihren Treueeid auf den Kaiser abgelegt haben sollte, trotzdem werden die Truppen der Armee bekämpft, weil sie eine Herausgabe der kaiserlichen Familie fordern würden. Oliverts "dritte Fraktion" ist also in meinen Augen auf den klaren zweiten Platz vorgerückt, denn von Osbornes Leuten geht kaum eine organisierte Opposition aus. Die Ironborn wirken sogar führungslos und zerstreut, sodass sie Olivert und Class VII unterstützen, da ihnen Befehle Osbornes fehlen. Class VII beginnt aber die ihr zugedachte Aufgabe zu erfüllen. In Abwesenheit einer starken Bracer-Gilde liegt es an den Thors-Schülern nun Zivilisten zu retten, die Verschwörungen der Adels-Allianz aufzudecken und so nebenbei die Armee vor dem Untergang zu bewahren.
Cold Steel 2 ist bei weitem nicht mein Lieblings-Spiel der Reihe, weil es zwar von allem etwas, aber von nichts genug bietet. Der Cast ist so groß und zertreut, dass sich die Erzählung zeitweise verliert. Man konnte gar nicht jedem Arc und jeder Storyline die gebührende Aufmerksamkeit widmen, sodass man in den meisten Fällen etwas unzufrieden zurückbleibt. Das Gameplay wurde nun auch nicht revolutioniert, man hat aber oftmals Mech-Battles zu bestehen, die sich vielleicht auch nicht ganz befriedigend erweisen. Cold Steel 2 scheitert in meinen Augen an seinen Ambitionen, weil es nicht die Mittel für eine adäquate Inszenierung besitzt. Da stört mich etwa auch das Finale, das einige Bosskämpfe mit deus ex machina-Lösungen präsentiert (plötzlich kommt jemand zu Hilfe und übernimmt den Bosskampf für die Heldentruppe) und der große Reveal hätte cinematischer sein dürfen. Dafür gibt es dann zwei Epiloge, ebenso mit eigenem Dungeon.
Cold Steel 1 vermittelte am Ende durchaus den Eindruck, dass man es mit einem Avengers: Infinity War zu tun bekäme - die Antagonisten triumphieren und die Lage scheint aussichtslos. Doch Cold Steel 2 ist kein Endgame und auch kein Infinity War, eher ein Captain America: Civil War.
Trotz aller meiner Enttäuschungen muss ich aber zugeben, dass ich mit einigen der Plotelemente und der politischen Implikationen sehr zufrieden bin. Man gibt sich trotz der Mängel bei den Charakter-Arcs wieder einmal große Mühe das World Building weiter auszubauen und auf hohem Niveau zu halten. Bürgerkriege kommen nicht aus dem Nichts und ihre Folgen lassen sich auch nicht so einfach aus der Welt schaffen. Cold Steel 2 ist aber sicher die ersten Trails-Duologie, bei der ich den ersten Teil als spannender und besser empfunden habe. Im Sequel werden zwar nun Antworten auf einige offenen Fragen präsentiert, aber viel zu viel ist nun vorherhsehbar. Die krassen Twists von eher normaler Fantasy zu Dimensionsbarrieren zum Einsturz bringender Fantasy mit Monstern aus fremden Welten fallen in Cold Steel 2 für meinen Geschmack auch eher zahm aus, vielleicht weil sich diese Art von Twist schon etwas abgenutzt hat. Ich will trotzdem am Ball bleiben, denn vielleicht geht es wieder aufwärts. Dieter Croix Unabhängigkeitserklärung, Colonel Richards Staatsstreich und nun die Entstehung einer instabilen Allianz aus Anarchisten, monarchistischer Revolutionäre, Söldner und chaotischer Kultisten waren ziemlich interessante Plotpunkte, die mich bei der Stange hielten und schon in Cold Steel 1 wurde das Versprechen formuliert, dass Kanzler Osbornes Pläne auch nicht mit dessen Tod geendet hätten. Und ist Osborne überhaupt tot, wenn seine Leiche nicht öffentlich aufgebahrt oder propagandistisch genutzt wurde? In der Trails-Saga könnte durchaus mehr Marvel stecken als im MCU, wenn sich so ein "Charakter-Tod" auch nur als temporärer Rückschlag erweist und es Möglichkeiten zur Wiederauferstehung gibt, ob nun als Cyborg, Revenant, Geist oder digitaler Avatar.